Ein Geocache vom loslachen.ch GC2XMVX
Die Sage vom Mühlstein
Bevor das Dorf in Vals von den Valsern bevölkert wurde. Haben sich die Walser, welche aus dem Wallis ausgewandert waren, in Zerfreila niedergelassen. Sie haben Korn (Gerste) gepflanzt und dort, wo heute der Stausee steht, ihr Dorf errichtet. Das Zerfreilahorn hat sie so sehr an ihr Matterhorn erinnert, dass sie sich gleich dort wohlfühlten.
Als Gott Zerfreila erschaffen hatte, hat er für dieses Tal nur die schönsten Steine verwendet. Hoch oben auf das Zerfreilahorn, welches damals noch viel höher war, legte er ein Mühlrad.
Eines Tages zog ein Zwergenvolk ebenfalls nach Zerfreila. Warum sie sich genau dort niederliessen, weiss man nicht. Sie zogen mit all ihrem Hab und Gut in den Arvenwald unter dem Zerfeilahorn. Ernährt haben sie sich von den Arvennüsschen, welche es im Wald zur Genüge hatte, und getrunken haben sie Wasser aus dem Bach. Kleider machten sie sich aus Schafwolle, die sie am Boden fanden. Ein Eichhörnchenschwanz reichte als Bettdecke für eine ganze Zwerggenfamilie. Sie waren ein heiteres und lustiges Volk. Am Tag haben sie meistens geschlafen, da sie Angst hatten, von den Menschen entdeckt und ausgelacht zu werden, da sie so klein waren und wegen ihrer Zipfelmützen.
Zwergen lieben, wie die Krähen, glänzende Dinge, deswegen sind sie Nacht für Nacht zum Zerfreilahorn gestiegen und haben mit Hämmerchen und Meiselchen an den Kristalladern gebohrt und gehämmert und sie haben so schöne, glänzende Kristallsteinchen gefunden. Mit dem Graben haben sie feine Spältchen in den Berg gemacht. Dadurch hat der Berg seine Festigkeit verloren. Eines Nachts ist deswegen der Spitz des Berges abgebrochen und somit ist auch der Mühlstein hinuntergefallen und rau und ungeschliffen in einer Spalte liegen geblieben. Viele Zwerge sind bei diesem Felssturz ums Leben gekommen.
(Die klugen Leute sagen, dass die Spalten wegen des Wassers entstanden seien, das gefror und wieder auftaute und so den Stein sprengte und die Spitze deswegen abgebrochen sei.)
Viele Zwerge haben das Unglück schnell vergessen und haben weiter gehämmert und gebohrt, und so ist immer wieder ein Stück des Berges abgebrochen, deswegen liegen so viele abgebrochene Steine unter dem Berg. So ging das Ganze viele Jahre, bis eines Tages die Weiden im Dorf knapp wurden.
Bärtlema (Bartholomäus), wollte eines Tages im Wald unter dem Horn ein wenig Wald roden, damit dort etwas Gras für seine Tiere wachsen konnte. Er nahm seine Axt und machte sich auf den Weg.
Als er die erste Arve fällen wollte, klang sie irgendwie hohl, als ob sie faul wäre. Der Baum war aber gesund. Als er noch einmal daran klopfte, sah er plötzlich eine kleine Gestalt, die sich hinter einem Baum versteckte. Er war sich nicht sicher, ob es ein weisses Eichhörnchen war oder ein Zwerg. So schaute er durch ein kleines Loch in den Baum hinein und sah eine Stube dort, mit Stühlen und Tischchen. Da sagte er laut zu sich selbst:“Diä guätä Zwärgli dafi net osä (ärgern), das brächti mer kei Glück!“
Und so machte er sich an eine andere Arve, doch auch diese tönte hohl, genauso wie die nächste, die er fällen wollte. Also entschied er sich, die Bäume stehenzulassen und ging ins Dorf zurück. Alle, die auch aus diesem Wald Bäume fällen wollten, hielt er geschickt davon ab, indem er vor den Lawinen warnte, die ins Dorf kommen könnten, wenn dieser Wald angetastet werde.
Die Zwerge dankten ihm, indem sie jede Nacht ins Dorf kamen und ihm allerlei Gutes taten. Sie halfen ihm, wo sie nur konnten. Als die Mäuse auf seinem Dachboden das Korn anknabberten zum Beispiel, da banden sie den Mäusen im Schlaf die Schwänze zusammen, sodass diese, als sie aufwachten, in entgegengesetzte Richtungen springen wollten und nicht konnten, aus Frust bissen sie einander tot.
Eines Tages hörten sie, wie Bärtlema sagte, dass er gerne eine kleine Mühle im Dorf bauen wolle. Bloss sei es schwierig so etwas zu bauen, da niemand wisse, wie man einen Mühlstein mache.
Die Zwerge freuten sich, dass sie etwas Gutes tun konnten. Sie holten den Mühlstein in der Spalte und machten daraus gleich zwei wunderschöne glatt geschliffene Mühlsteine. Vor lauter Freude feierten sie ein riesiges Fest und tanzten auf den Steinen herum. Sie kletterten an ihnen hoch und runter. Doch sie trieben es etwas zu bunt in dieser Nacht. Plötzlich bewegte sich ein Stein und kam ins Rollen. Er rollte den Berg hinunter bis ins Tal. Die Zwerge erschraken und rannten dem Stein nach und riefen, man solle ihn halten!
Ein junger Bursche, der im hinteren Dorf seine Freundin besucht hatte, sah das Mühlrad und die springenden verzweifelten Zwerge, die hinter dem Rad her rannten. Er lachte so laut er konnte, es schüttelte ihn vor lauter lachen.
Die Zwerge sind erschrocken ab dem Gelächter und sind schnell wieder den Berg hinauf gerannt und haben sich versteckt.
Zwerge ertragen es nicht, wenn sie ausgelacht werden. Sie haben noch in derselben Nacht ihre Sachen gepackt und sind aus dem Wald verschwunden. Niemand weiss wohin. Sie wurden nie wieder gesehen.
Nur vereinzelt wurde noch eine Zipfelmütze am Waldboden gefunden.
Bärtlema hat den Mühlstein am nächsten Tag gefunden und wusste gleich, was vorgefallen war. Seine Augen wurden feucht, und er trauerte seinen kleinen Freunden noch lange nach.
Quelle: Jörger, J.(1920). Der hellig Garta. Chur: Schuler Verlag. (Ins Hochdeutsche übersetzt von Silvia Rieder).